Die Ironie der Ballettstadt
Ich sitze im Auto. Stau. Natürlich. Die Stadt vor mir tanzt wieder ihr tägliches Ballett. Hupend, gestresst, leicht überheblich, als gäbe es Punkte für Synchronität. Ein wunderschönes Chaos in Designerjacke. Links ein Typ im Anzug, der seinem Handy verliebte Blicke zuwirft. Rechts eine Frau, die beim Schminken im Rückspiegel mehr Mut beweist als jeder Investmentbanker an der Börse.
Und ich?
Ich beobachte das Ganze und denke mir: Wenn das Leben eine Bühne ist, bin ich heute eindeutig in der falschen Szene gelandet. Irgendwas zwischen Schwanensee und Stau der Verzweiflung.
Die Ballettstadt.
Elegant von außen, innerlich kurz vorm Nervenzusammenbruch.
Wir nennen’s Routine, die Psychologen nennen’s „Überforderung mit Stil“. Ich nenne es Arbeitstag, denn den echten Stress erleben wir am Samstag, wenn wir angeblich frei haben. Alle spielen mit.
Die Frau mit Yogamatte, die gleich nach dem Entspannen jemanden anbrüllt, weil ihr Parkplatz besetzt ist.
Der Typ im Cabrio, der sich fühlt wie James Bond, aber fährt wie Oma Frieda mit Parkinson.
Und ich?
Ich lache und denke: Kopf über Herz! Das klingt nach Stärke, ist aber meistens nur Feigheit im Businessdress. Wir retten unseren Stolz und opfern das Herz als Kollateralschaden. Und das Beste daran? Wir nennen’s Achtsamkeit und posten’s auf Insta. Mit Cappuccino-Schaumkunst ☕️✨.
Filter: Valencia.
Text: „Trust the process.“
Übersetzung: „Ich hab keine Ahnung, was ich hier eigentlich tu.“
Ich schwöre, wenn Heuchelei olympisch wäre, die Ballettstadt hätte Dauergold. Wir rennen mit Latte Macchiato in der Hand in Meetings, in denen niemand weiß, worum’s geht,aber alle haben Meinungen in PowerPoint. Und dann wundern wir uns, warum Burnout plötzlich Trendfarbe trägt.
Die Ampel wird grün. Niemand fährt los. Alle tippen. Ich hupe. Einfach so, aus Prinzip. Weil in Wien hupen verboten ist, außer wir haben eine größere Hochzeitsgesellschaft. 💍
Ich fahr weiter. Kaffee halb leer, Haltung halb schief, aber Lippenstift on point. Der Himmel über der Stadt ist dramatisch grau, perfekt passend zur Stimmung. Und während ich durch das Chaos gleite, denk ich mir:
Also tanze ich halt allein.
Vielleicht ist das das ganze Geheimnis: Nicht alles verstehen, nicht alles kontrollieren. Einfach fahren, lachen, leben. Und wenn der Kopf wieder das letzte Wort will, sag ich ihm:
„Danke für deine Meinung, Schatz, aber heute fährt das Herz.“ 💋
💋 Unlabelled
für Blog & Stories