Wenn Nein ein Anfang ist

Wenn Nein ein Anfang ist

Es gibt diese Momente, in denen man „Ja“ sagt, obwohl der ganze Körper „Nein“ brüllt. Das Lächeln sitzt wie festgetackert, die Stimme klingt fröhlich, und innerlich denkt man nur: „Ich will eigentlich nach Hause, in meine Jogginghose, und niemanden sehen, der mir Fragen stellt.“

Bei mir war so ein Moment an einem Donnerstagabend. Ich hatte gerade einen dieser Tage, an denen schon der falsche Blick einer Kollegin gereicht hätte, um mich aus der Bahn zu werfen. Und dann kam die Nachricht: „Magst du noch schnell vorbeikommen? Nur auf einen Kaffee.“ Früher hätte ich „Klar“ getippt, während ich mich schon in Gedanken in die enge Jeans gequetscht habe. Diesmal habe ich einfach geschrieben: „Nein, heute nicht.“

Es fühlte sich an, als hätte ich gerade ein Mini-Erdbeben ausgelöst. In mir.

Das erste Nein ist wie der erste High Heel. Wackelig, aber befreiend

Ein „Nein“ zu sagen, wenn man es nicht gewohnt ist, ist wie der erste Abend in unbequemen, aber verdammt schönen Schuhen: Man schwankt, stolpert fast, aber plötzlich merkt man wie groß die Aussicht ist, wenn man ein bisschen größer steht.

Ich habe lange gebraucht, um zu verstehen, dass mein „Ja“ oft gar nicht nett war, sondern eine kleine Selbstlüge. Ein Ja zu anderen bedeutete zu oft ein Nein zu mir.

Wir Frauen und unser olympisches „Ja“ Training

Ich weiß nicht, ob wir damit geboren werden oder ob es irgendwo zwischen Barbie-Puppen und Schulhof passiert, aber Frauen sind wahre Meisterinnen im Zustimmen. Ja, ich helfe dir beim Umzug. Ja, ich höre mir deine 45-minütige Erzählung über deinen Ex an, den du sowieso nächste Woche wieder datest. Ja, ich übernehme das Projekt, obwohl mein Kalender aussieht wie ein Tetris-Spiel kurz vor Game Over.

Und jedes Mal erzählen wir uns die gleiche Geschichte: „Es ist ja nur einmal.“ Spoiler: Es ist nie nur einmal.

Das Dating-„Nein“, oder warum Absagen sexy sein können

Im Dating-Leben ist ein Nein oft wie eine unsichtbare Schönheitsoperation. Plötzlich sitzt man aufrechter, schaut klarer... und merkt, wie man Kandidaten aussortiert, die ohnehin nur Zeitfresser waren. Der Typ, der dich um 23:15 Uhr fragt, ob du „noch vorbeikommen willst“? Nein. Der Kollege, der dich „spontan“ zu einem „Brainstorming“ einlädt, das exakt 5 Minuten nach deinem Feierabend beginnt? Nein.

Ein klares Nein ist wie ein guter Eyeliner: Es zieht eine Linie, die dich definiert.

Die Angst vor dem Nein und warum sie unbegründet ist

Ich dachte lange, dass Menschen mich weniger mögen würden, wenn ich öfter Nein sage. Kleiner Realitätscheck: Die, die dich nur mögen, wenn du Ja sagst, mochte man eh nie richtig. Das „Nein“ filtert gnadenlos... und das ist gut so.

Man verliert ein paar Bekanntschaften, aber man gewinnt Platz. Platz für Menschen, die nicht beleidigt sind, wenn man sagt: „Heute nicht, ich will einfach baden und nichts tun.“

Alltagstest: Das „Nein“ im Büro

Mein Lieblingsbeispiel: Der Satz „Können Sie das noch schnell übernehmen?“ Früher hätte ich brav gelächelt und die Aufgabe reingeschoben wie eine extra Portion Pommes, obwohl der Teller schon voll war. Heute sage ich: „Nein, dafür habe ich gerade keinen Slot.“ Kein Rechtfertigungstango, keine endlosen Erklärungen. Einfach Nein. Die Welt dreht sich weiter, und plötzlich fragen sie nur noch, wenn es wirklich wichtig ist.

Das Nein zu sich selbst. Die schwierigste Disziplin

Es gibt auch diese inneren Anfragen, die nach einem Ja schreien. „Magst du noch eine zweite Portion? Es ist schließlich Wochenende.“ „Willst du die Nachricht an ihn nicht doch noch mal lesen, bevor du sie abschickst?“ „Vielleicht solltest du doch hingehen, nicht dass du was verpasst.“

Ich übe inzwischen, mir selbst Nein zu sagen und es fühlt sich oft besser an als jedes Ja.

Die Nebenwirkungen eines guten Neins

Seit ich öfter Nein sage, ist mein Kalender leerer und mein Kopf voller. Voller Ideen, die ich früher zwischen Meetings und Gefälligkeitsaktionen verloren habe. Ich habe mehr Energie für meine eigenen Projekte. Und, das Überraschendste, ich genieße die Jas viel mehr, die übrig bleiben.

Denn ein Ja ist nur dann schön, wenn es freiwillig ist.

Mini-Anleitung für ein elegantes Nein

  • Kurz halten: „Nein, geht heute nicht.“ Punkt. Kein Roman: Je mehr du erklärst, desto mehr Diskussionsfläche.
  • Humor hilft: „Ich würde ja gern, aber ich und meine Couch haben ein Date.“
  • Konsequent bleiben: Ein Nein, das du nach 5 Minuten in ein Ja umwandelst, ist wie eine Diät, die beim ersten Stück Kuchen scheitert.

Mein schönstes Nein

Das war nicht im Job, nicht beim Dating, sondern bei einer Einladung, die „man nicht ausschlägt“. Ich habe trotzdem abgesagt und stattdessen einen Abend mit einer Gesichtsmaske, einer Playlist aus meiner Teenagerzeit und einer Flasche Mineralwasser mit Limette verbracht. Am nächsten Tag bin ich aufgewacht, als hätte ich Urlaub gehabt.

Ein Nein ist kein Ende. Es ist der Türöffner für alles, was man wirklich will. Es ist ein Anfang. Nur diesmal für dich.

Und ganz ehrlich? Ein gutes Nein steht jeder Frau besser als der teuerste Lippenstift.


Verfasst von Diana W.
für Unlabelled Blog & Stories

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