BEHIND UNLABELLED

Behind Unlabelled
oder: Wie man aufhört, brav zu sein, und stattdessen eine Marke und Plattform gründet

Es fing an wie diese Tage, die niemand auf Instagram postet. Kein Filter, kein Blumenstrauß, kein dramatisches Licht. Ich stand im Bad, die Haare in so einem improvisierten Klammerkunstwerk, und las das Etikett von einer Creme, die versprach, mein Leben zu retten. Straffer, glatter, wacher. Auf der Rückseite stand mehr Text als in meiner letzten Beziehung. Ich habe gelacht. Dann habe ich mich gefragt, seit wann ich Produkten mehr Glauben schenke als meinem Spiegel. Später im Drogeriemarkt stand ich zwischen drei Metern Rosa und drei Metern Gold. Überall Versprechen. Keine Antworten. Ein Typ neben mir telefonierte mit seiner Mutter und fragte, ob Hyaluron was mit Yoga zu tun habe. Ich dachte, wenn sogar er sich verirrt, wie sollen wir anderen da je wieder rausfinden. In der Schlange vor mir zwei Studentinnen, die über Retinol flüsterten, als ginge es um eine illegale Substanz. Ich habe meine Sachen aufs Band gelegt und wusste plötzlich: Mir reicht es. Ich will keine Etiketten mehr, die mir erklären, wer ich zu sein habe. Ich will Produkte, die arbeiten, während ich lebe. Ich will eine Bühne, auf der Frauen ihre Geschichten teilen können: über Mode, Business, Herzschmerz. Und ja, ich will eine Marke, die so wenig Etikett braucht, dass der Name schon Programm ist.

Unlabelled war da. Erst als Witz. Dann als Notiz im Handy. Danach als Arbeitsauftrag an mich selbst.

Meine Freundinnen nennen unsere Gruppenchat: den Hexenzirkel. Dort werden Entscheidungen getroffen, die sonst ganze Meetings verschlingen. Lippenstiftfarbe zu Vorstellungsgesprächen. Kleid oder Anzug zu Verlobungsdinnern. Welche Pasta man essen kann, wenn man am nächsten Tag in ein sehr ehrliches Kleid will. Ich habe hineingeschrieben: „Ich gründe eine Marke.“ Antwort eins: Tu es. Antwort zwei: Endlich. Antwort drei bestand aus drei Flammen und einem High Heel. Das reichte als Go.

Warum Unlabelled

Weil ich in keine Schublade passe. Weil ich alle Schubladen im Schrank liebe, aber nicht im Kopf. Ich habe Phasen, in denen ich mit grünem Smoothie frühstücke und abends Pasta in Butter baden lasse. Ich lese Ingredients wie Krimis und weine gleichzeitig bei alten Romcoms. Ich trage High Heels zu Terminen und Birkenstock, wenn ich durch die Küche renne. Ich will kein Label, das mich auf einen Ton limitiert. Ich will eine Partitur.

Die ersten Skizzen entstanden auf Servietten. Kein Mangel an Stil, sondern Mangel an Zeit. Ich habe zwischen Mails und Meetings Namen getestet, Töne, Texturen, Ritualideen. Ich habe mit einer Formuliererin telefoniert, die so ruhig klang, dass ich sie sofort adoptieren wollte. Ich habe Duftproben abgelehnt, weil sie rochen wie ein Date, das zu viel redet. Ich habe Verpackungen ausgetauscht, weil sie aussahen wie Schönheiten, die nie pünktlich sind. Am Ende blieben die, die funktionieren. Auf der Haut. Im Bad. Im Leben.

Ein Lieferant fragte, ob wir nicht noch zwei Buzzwords aufs Etikett drucken wollen. Ich sagte, wir drucken lieber zwei Wirkstoffe mehr in die Formel. Er schaute, als hätte ich ihm die Pointe gestohlen. Ich habe gelächelt. Manchmal ist das die Pointe. Zwischendurch wollte man mich trösten. „Gründung ist schwer“, sagten alle mit der Stimme, mit der andere Beileid aussprechen. Ich habe genickt und mich an den Kaffee gehalten. Schwer ist keine Kategorie, die mich schreckt. Unpraktisch schon eher. Ich habe alle unpraktischen Teile aus dem Plan geworfen. Dazu zählen Businesspläne mit dreißig Folien auf PowerPoint. Dagegen zählen To-do-Listen in Lippenstift am Badezimmerspiegel. Funktioniert erstaunlich gut.

Es gab den ersten Prototypen. Ich habe ihn abends getestet, als hätte ich ein Date mit mir selbst. Kerze an. Musik an. Handy aus. Ich habe mir Zeit gegeben. „Tu was“, habe ich zum Serum gesagt. Keine Dramaqueen-Reden. Arbeiten. Ich habe die Wirkung gespürt. Nicht wie auf dem Cover. Eher wie ich plus ausgeschlafen. Ich habe gegrinst und eine Nachricht in den Hexenzirkel geschickt. Text: Erster Treffer. Reaktion: digitale Konfetti.

Heute sind die Produkte Unlabelled by Le Jour® noch in der Test- und Vorbereitungsphase. Le Jour Collection ist jetzt online. Zuerst Couture und Unlabelled. Später folgen Glow, Savour, Home. Schritt für Schritt.

Mehr als nur eine Marke

Warum noch eine Marke, fragt jemand, der noch nie mit offenem Haar im Wind gestanden hat, während die Haut sich anfühlt, als hätte sie Urlaub gebucht. Weil genug nicht genug ist, wenn genug zu oft leere Versprechen bedeutet. Weil volle Regale nicht die Antwort sind, wenn nichts davon meinem Leben hilft. Weil es ein gutes Gefühl ist, etwas zu bauen, das morgens auf dich wartet, statt dich zu belehren. Ich wollte kein Museum. Ich wollte ein Bad, in dem Dinge stehen, die mich anfeuern.

Unlabelled ist kein Chor. Es ist eine Reihe von Soli. Eine Stimme pro Produkt. Eine Aufgabe. Kein Übermaß. Kein Kram, der hübsch aussieht und nichts tut. Es muss nur arbeiten. Ich glaube an Rituale, die nicht länger dauern als eine Sprachnachricht. Ich glaube an Ergebnisse, die man im Spiegel erkennt, bevor der Kaffee leer ist. Ich glaube an Anleitungen, die passen, auch wenn du am Morgen nur halb wach bist. Ich glaube an Sätze, die Frauen nicht klein machen. Ich glaube an ein Ja, das klar ist. Und an ein Nein, das Grenzen malt wie Eyeliner, deutlich ausgesprochen, nicht so, dass man noch hoffen muss, es könnte doch anders gemeint sein.

Hinter den Kulissen

Hinter der Bühne passieren Dinge, die nach Glamour klingen, aber nach Karton riechen. Paletten kommen zu früh. Kartons reißen an den falschen Stellen. Einmal saß ich auf dem Boden zwischen Füllmaterial und Duftkarten und fühlte mich wie in einer sehr schicken Schneekugel. Ich habe mich kurz geärgert, dann die Musik lauter gedreht und weiter ausgepackt. Glamour ist kein Zustand. Glamour ist ein Ton, den man aufdreht, wenn niemand klatscht. Ich habe mir selbst zugeklatscht. Kleine Rituale halten die Laune frisch.

Es gab auch den ersten Hate. Eine sehr wichtige Person fand den Namen zu frech. Ich habe Danke gesagt. Frech ist günstiger als reichlich langweilig. Eine andere schrieb, Frauen wollten geführt werden. Ich antwortete: Frauen wollen Ergebnisse. Führen können sie sich selbst. Danach habe ich den Laptop zugeklappt und mir einen sehr roten Lippenstift aufgetragen. Fürs Archiv.

Was Unlabelled wirklich ist

Manchmal sitze ich in Cafés und beobachte Gesichter. Nicht um zu richten. Um zu lesen. Welche Haut gerade nach Pause schreit. Welche Frau so tut, als hätte sie Zeit. Welche Schritte schneller werden, wenn die Tür aufgeht. Ich liebe dieses Stadtballett. Ich liebe die Momente, in denen Frauen sich hinsetzen, einen Schluck nehmen und merken, dass sie das Sagen haben. Dann weiß ich, dass Unlabelled mehr ist als Flaschen und Schachteln. Es ist eine Art, den Tag zu eröffnen, ohne zu fragen, ob es jedem passt. Es gibt auch die Businessfragen. Skalierung. Supply. Margen. Ich beantworte sie, bevor der Espresso kalt wird. Klarheit ist sexy. Ich weiß, was rein kommt. Ich weiß, was rausfliegt. Ich weiß, was wir niemals tun. Ich habe es satt, wenn Frauen in Produktinfos belehrt werden. Als müssten sie erst einen Kurs buchen, um eine Creme zu benutzen. Wir sind klug, busy, kapazitätsgeprüft. Das Produkt passt sich an. Nicht andersherum.

Manchmal fragen mich Leute, ob Unlabelled eine Frauenmarke ist. Das ist, als würdest du fragen, ob ein Regenmantel männlich sein kann. Unlabelled ist eine Haltung. Wer sie teilt, ist drin. Wer Etiketten braucht, kann gern weitersuchen. Ich habe keine Zeit, mir auszudenken, welche Zielgruppe welchen Slogan will. Ich baue lieber etwas, das wirklich wirkt. Der Rest klärt sich an der Kasse.

Die romantische Seite

Die romantische Seite? Die ist da. Ich habe ein Ding für schöne Dinge. Für schönen, romantischen Abend mit einem feinen Rotwein. Für Schriften, die still elegant sind. Für Düfte die Schulter berühren. Für Worte, die dich ermutigen und wertschätzen. Die dich dazu bringen, etwas zu erschaffen, etwas zu kreieren, etwas zu machen. Ich glaube an das Gute im Menschen und dass es noch Echtheit gibt. Ich will, dass ein Morgen mit Unlabelled sich anfühlt wie Musik im Hintergrund, die du sofort erkennst, obwohl du den Namen vergessen hast. Ich will, dass Frauen sich beim Zähneputzen stolz fühlen, bevor sie überhaupt Mascara auftragen. Ich will, dass niemand fragt, ob sie genug sind. Sie sind genug. Das Produkt reicht nur das Handtuch.

Mein Fazit

Es gibt diesen Satz, den ich mir selbst oft sage: Sei groß. Nicht laut. Größe ist eine Haltung, die kein Mikrofon braucht. Sie zeigt sich in Entscheidungen. In dem, was man streicht. In dem, was bleibt. In der Art, wie man am Tisch sitzt, auch wenn niemand hinsieht. Unlabelled ist mein tägliches Training darin. Jeden Tag ein Ja zu dem, was zieht. Jeden Tag ein Nein zu dem, was glitzert und stört. Wenn ich ehrlich bin, hat Unlabelled mich erzogen. Ich sage häufiger Nein. Ich plane weniger, mache mehr. Ich gebe Fehler zu, ohne Kolorit. Ich feiere Erfolge, auch die kleinen, und ich schenke mir selbst Blumen, wenn ich es will. Ich küsse niemandem die Hand, der mich kleinreden will. Ich vergesse dafür häufiger die Zeit, wenn ich an Texturen rieche. Es ist ein fairer Tausch.

Was bleibt. Hinter Unlabelled steckt kein Märchen mit Prinz und Happy End. Hinter Unlabelled steckt eine Frau, die es satt hatte, brav zu sein. Eine, die lachen kann, wenn etwas schiefgeht. Eine, die liebt, wenn etwas funktioniert. Eine, die Freundinnen hat, die schneller sind als jede PR-Abteilung. Eine, die morgens aufsteht und an Wirkung und Wertschätzung glaubt. Nicht an Wunder. Wirkung und Wertschätzung. Das reicht.

Wenn du mich fragst, warum ich das gemacht habe. Weil ich jeden Morgen neu anfangen will, ohne mich zu verkleiden. Weil ich Produkte will, die meine Zeit respektieren. Weil ich Worte will, die meine Leserinnen wachkitzeln. Weil ich es genieße, wenn eine Frau im Aufzug in den Spiegel schaut und denkt: „Ich sehe aus wie ich und zwar gut.“ Für diesen Blick lohnt sich alles. Für diesen Blick baue ich weiter. Mit Haltung und mit sehr rotem Lippenstift in der Tasche. Für alle Fälle.