Stille als Statement

Stille als Statement

Warum weniger Worte manchmal mehr Macht haben

Neulich sitze ich in einem Café, Cappuccino vor mir. Zwei Tische weiter ein Typ im perfekt gebügelten Hemd, der seit 40 Minuten ununterbrochen redet. Laut. Sehr laut. Aktien, Auto, Exfreundin, natürlich „die Verrückte“. Seine Stimme war so präsent wie der Milchschaum auf meinem Cappuccino. Ich nippe, rolle innerlich die Augen, fantasiere kurz über Ohropax und sage... nichts. Und dann passiert es: Er dreht sich tatsächlich zu mir, schaut unsicher und fragt: „Was denkst du?“

Bäm. Da war er. Der Moment, in dem Stille lauter war als sein ganzer Monolog.

Wir unterschätzen, wie sexy Schweigen sein kann. Worte sind billig, jeder wirft sie raus: WhatsApp, Insta, endlose Meetings. Und Stille? Stille ist Luxus. Sie ist Couture. Du trägst sie nicht jeden Tag, aber wenn, dann wirkt sie wie ein maßgeschneidertes Kleid. Schlicht, teuer, tödlich effektiv. Das Problem? Wir fürchten sie. Stille macht uns nervös. Sie zieht den Teppich weg, auf dem wir mit Emojis, Witzen und Sprachnachrichten so schön getanzt haben. Plötzlich ist da kein Soundtrack mehr, nur die eigenen Gedanken. Und die sind manchmal lauter als jedes Mikrofon.

Ich erinnere mich an ein Meeting. Der Chef redete sich in Rage, eine endlose Litanei über Deadlines und Zahlen. Normalerweise hätte ich genickt, vielleicht ein „Verstehe“ eingestreut. An diesem Tag nicht. Ich lehnte mich zurück, sah ihn an und schwieg. Kein Versuch, seine Worte zu polieren. Die Stille hing im Raum, schwerer als jede Excel-Tabelle. Und siehe da: Er bremste. Plötzlich war seine Stimme leiser, fast unsicher. Als hätte mein Schweigen ihm den Spiegel vorgehalten. Oder... nehmen wir WhatsApp. Du kennst das: Eine Freundin schickt dir zehn Sprachnachrichten hintereinander, jede mindestens fünf Minuten lang, voll mit Erklärungen, Ausreden, Rechtfertigungen. Normalerweise tippt man zurück, beruhigt, erklärt. Aber was, wenn du einfach nicht antwortest? Zumindest nicht sofort. Die Wirkung? Unbezahlbar. Während sie sich noch im eigenen Wortgewitter verfängt, bist du diejenige, die Ruhe behält. Stille ist wie ein teures Parfum, man riecht sie nach, auch wenn du längst gegangen bist.

Und Schweigen ist kein Rückzug. Schweigen ist wie roter Lippenstift, ein Statement. Wenn du in einer Diskussion nichts sagst, dann weil du weißt: Deine Pause ist schärfer als jede Schlagzeile. Und ja, es braucht Mut. Schweigen fühlt sich an wie High Heels nach drei Stunden Party. Unbequem, aber wow, was für ein Auftritt. Es ist diese Sekunde, in der alle denken: „Kommt da noch was?“ und du innerlich grinst, weil du genau weißt: Nein, Darling. Nichts. Weil Schweigen ist nicht „ich kann nicht mithalten“. Schweigen ist das Gegenteil: „Ich muss gar nicht mithalten.“ Es ist die Kunst, Raum zu schaffen. Raum, in dem die anderen stolpern, während du felsenfest bleibst.

Also, probier es aus. Beim nächsten Date, wenn er dir die Welt erklärt, als wärst du Praktikantin in seinem Leben. Im nächsten Meeting, wenn jemand Lautstärke mit Kompetenz verwechselt. Oder wenn dein Nachbar im Treppenhaus wieder erklärt, warum sein Hund natürlich niemals bellt. Atme. Schau. Schweig. Denn manchmal ist das lauteste „Ich weiß, wer ich bin“ kein Satz. Sondern ein Blick über den Glasrand, ein kurzes Zucken deiner Lippen und die Stille, die du stehen lässt.

Frag mal den Typen im Café. Für ein paar Sekunden lag Stille im Raum. Meine Antwort? "Zahlen bitte!"... natürlich an den Kellner! Und mein Schweigen blieb hängen wie ein unausgesprochenes Lächeln.


Verfasst von Diana W.
für Unlabelled Blog & Stories

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